Press "Enter" to skip to content

Argumente fürs Bargeld

„Warum die Abschaffung des Bargelds unsere Freiheit gefährdet.“ So lautet der Untertitel von Brett Scotts neuem Buch Cloudmoney. Marco, Jenni und ich haben das Buch gelesen und werden in Folge 34 des MikroBuchs diskutieren, wie riskant die Digitalisierung unseres Geldes ist.

Münzrollen aus dem Hinterzimmer

Einen Vorgeschmack auf Scotts Beobachtungen erhielt ich kürzlich in Portugal. Jedes Mal, wenn ich in Lissabon im Supermarkt bar bezahlen wollte, hatten die Kassiererinnen grosse Mühe, mir passend Rückgeld zu geben. Sie mussten von irgendwo Münzrollen hervorkramen und gaben mir Rückgeld in Form von 10-Cent-Münzen. Nach einigen Tagen war die Botschaft denn auch bei mir endlich angekommen. Ich habe in der Folge aus Bequemlichkeit – so wie offensichtlich alle anderen auch – mit der Kreditkarte bezahlt, denn mein Portemonnaie quillte bereits über von dem vielen Münzgeld. Es sah für mich so aus, als ob Bargeld im Geschäft nur noch für den Notfall vorgehalten würde. Das hat mich einigermassen überrascht, denn in der Schweiz ist weiterhin Cash König – trotz hygienischer Bedenken und der intuitiven Bezahl-App „Twint“.

Das Buch im Überblick

Hinter dieser Anekdote aus dem Urlaub steckt System, so Brett Scotts These. Einige zentrale Akteure des Finanzsystems verfolgen nämlich die Strategie, das Bargeld abzuschaffen, um uns Konsumenten und Konsumentinnen besser kontrollieren zu können. Das Ziel von Scotts Buch ist es deshalb, Banknoten und Münzen zu verteidigen. Scott analysiert die Verhaltensweisen der mächtigen Akteure, die versuchen, das Bargeld abzuschaffen. Er zeigt auf, was sie antreibt und wie sie die Regierungen auf ihre Seite gebracht haben. Beschleunigt worden sei dieser Prozess durch die Verschmelzung der Interessen der Finanzwelt mit denen des Silicon Valley. Den vorläufigen Höhepunkt des Prozesses stellen aus Scotts Sicht die aktuellen Kryptowährungen dar, auch wenn Bitcoin als «digitales Bargeld» in seinen Anfängen einen Wendepunkt dieser Entwicklung hätte darstellen können.

Gerade in der Machtballung einiger weniger grosser Firmen, wie etwa der Kreditkartenfirmen, der grossen Banken, aber auch der grossen IT-Player wie Amazon oder Google, sieht Scott eine grosse Gefahr für die Gesellschaft. In diesem Tweet bringt er diese Gefahr durch einen Vergleich mit der Entwicklung des Personentransports auf den Punkt:

Die Abschaffung des Bargelds gefährdet demzufolge unser aller Freiheit, weil diese wenigen Akteure das Wissen, wann wir wie welche Transaktionen tätigen, beliebig ausnutzen können. Das macht uns kontrollierbar und erpressbar. Bargeld wird so für Scott zu einem Mittel der Freiheit, mit dem wir uns der Kontrolle der Machthabenden entziehen können.

Diskussion und Kontext

Seht auch Ihr in der Abschaffung des Bargelds eine Gefahr? Oder seid Ihr froh, wenn das dreckige Geld endlich nicht mehr Hosen und Taschen ausbeult? Diskutiert mit uns. Wer sich einen ersten Eindruck von Brett Scotts Gedankenwelt machen möchte, kann ihm unter @suitpossum auf Twitter folgen. Ergänzend könnt Ihr Euch diesen Podcast anschauen, in dem er sein neues Buch diskutiert:

Scott bietet uns mit seinem Buch nicht nur eine Kampfschrift für das Bargeld. Der Essay ist gleichzeitig ein Leitfaden, der das gesamte aktuelle Geldsystem erklärt. Das macht der gelernte Anthropologe, ehemalige Derivatehändler und Journalist anhand einer umfangreichen Literaturrecherche und seiner vielfältigen Erlebnisse aus der globalisierten Finanzwelt.

Sein Buch ist Anfang September auch in deutscher Übersetzung erschienen. Übersetzt wurde der Titel von Thorsten Schmidt. Wir danken dem Penguin-Verlag, dass er uns kostenlose Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt hat.

Barbara Bohr
Barbara Bohr

View all posts

Category MikroBuch
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert