Im MikroBuch #44 besprechen Jenni, Marco und Barbara Tobias Straumanns Buch 1931. Die Finanzkrise und Hitlers Aufstieg. Klarer kann ein Titel nicht sein. Tobias Straumann will in seinem Buch die zentrale Rolle, die die Finanzkrise von 1931 für den Aufstieg des Nationalsozialismus spielte, aufzeigen.
Die Verbindung von Finanz- und Politikkrise
Straumann analysiert sehr genau und detailiert, wie die haushaltspolitische Lage Deutschlands, die Überschuldung der Banken und die daraus resultierende sozioökonomische Not im Land dem Nationalsozialismus enormen Zulauf bescherten. Die Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der Danat-Bank, der Dresdner Bank sowie weiterer Banken im Sommer 1931 und ihre internationalen Auswirkungen diskreditierte die Weimarer Republik weiter und ließ Hitlers Propaganda von einem starken Führer, der Deutschland zur Großmacht machen würde, attraktiv erscheinen. Diese Krise, die zu noch mehr Not im Land führte, machte Hitler regelrecht glücklich (zitiert nach Straumann, 208). Krawall statt Konsens und Kompromiss lautete das erfolgreiche Motto der politisch Extremen. Laut Straumann profitierte insbesondere die NSDAP davon, dass sie die Unfähigkeit der Regierung anprangern und sich als Alternative präsentieren konnte. Der Fokus auf die Finanzkrise erlaubt einen Blick hinter die Kulissen der Krawallpolitik und legt dar, wie diese die Glaubwürdigkeit der demokratischen Institutionen schwächte und Hitlers Machtergreifung erleichterte.
Die globale Perspektive
Straumann verbindet die innenpolitischen Analysen stets mit den Einstellungen und Reaktionen in den Gläubigerländern Deutschlands. Hinzu kommt ein Blick auf die internationalen Institutionen (Völkerbund, Bank für internationalen Zahlungsausgleich, Reparationskommission des Versailler Vertrages oder die Expertenkommission, die den Young-Plan erarbeitet hatte). Der Zürcher Wirtschaftshistoriker zeigt beispielhaft auf, dass guter Wille nicht immer mit gutem Gelingen einhergeht. So schlussfolgert er:
Aus dieser Perspektive ist die deutsche Finanzkrise von 1931 mehr als eine folgenschwere historische Episode. Sie ist vielmehr eine zeitlose Erinnerung an die Gefahren, die drohen, wenn man bei der Schaffung internationaler Institutionen und dem Abschluss internationaler Verträge die Dyanamik der Innenpolitik ignoriert. Es genügt nicht, gute Absichten zu haben und an den Geist der Zusammenarbeit zu appellieren. Es ist auch nicht klug, globale Regeln zu vereinbaren, die nicht durchsetzbar sind, und sie als Durchbrüche zu feiern, nur weil Diplomaten und Politiker nach mehreren Runden harter und anstrengender Verhandlungen nicht mit leeren Händen nach Hause fahren wollen. Nur wenn ihre Wähler daheim bereit sind, einen Verlust an Souveränität zugunsten der Vorteile grenzüberschreitender Kooperation zu akzeptieren, haben internationale Institutionen und Abkommen die Chance, gut zu funktionieren und den Test der Zeit zu bestehen
Straumann, 1931, S. 218.
Das Bemerkenswerte an Straumanns Analyse
Was ist das Besondere und Bemerkenswerte an Straumanns Buch? Zum einen ist zu berücksichtigen, dass Straumann die Schrift zunächst für ein englischsprachiges Publikum geschrieben hat, das häufig die wirtschaftliche Instabilität Deutschlands stärker mit dem Börsencrash 1929 verbindet als mit der Finanzkrise 1931 (s. Vorwort zur deutschen Ausgabe). Er setzt dramaturgisch also einen anderen zeitlichen Schwerpunkt. Ausserdem will er immer auch zeigen, welche Auswege es 1930-1931 immer noch gegeben hätte.
Darüber hinaus setzt Straumann bemerkenswerte Akzente:
- Er bietet eine umfassende internationale Perspektive, die deutlich macht, wie „globalisiert“ die damalige Finanzwelt bereits war und welchen Druck sie auf die nationalen Regierungen ausübte. So zitiert Straumann beispielsweise John Maynard Keynes` Einschätzung des Hoover-Moratoriums vom 20.06.1931, der meinte, dass es keine Zweifel gebe, dass der Druck von Bankiers dahinterstecke (Straumann, S. 179). Gleichzeitig werden die Aktivitàten der Finanzmärkte immer auch als Vehikel einer nationalistischen Denkweise interpretiert.
- Er nutzt zahlreiche spannende Primärquellen, um seine Thesen zu untermauern. Insbesondere greift er auf Tagebücher ehemaliger Regierungsmitglieder und Diplomaten zurück sowie auf die internationale Finanzpresse. Darüber hinaus waren folgende Quellen für seine Recherchen bedeutsam: die Aufzeichnungen Hans Schäffers, der als deutscher Finanzbeamter an den Reparationskonferenzen teilgenommen hatte, über den Bankier Marcus Wallenberg, die Reflektionen des liberalen Bankiers Felix Somarys sowie die Memoiren des deutschen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schachts . Wie viele andere Historiker:innen auch, greift Strauman häufig auf die liberal-bürgerliche Vossische Zeitung zurück, um die politische Stimmung Deutschlands zu spiegeln. Das alles verleiht seiner Darstellung grosse Authentizität und Perspektivenreichtum.
Einladung zur Diskussion
Was haltet Ihr von dem Buch und seiner Hauptthese? Wie gerechtfertigt sind Übertragungen von Straumanns Analysen auf die heutige Zeit? Aus seiner Schlussfolgerung lässt sich recht gut herauslesen, dass seine Ausführungen auch aktuell noch Gültigkeit haben, oder etwa nicht?
Wenn Ihr mitdiskutieren wollt, meldet Euch mit Euren Fragen und Kommentaren. Und hört in den Podcast rein 😉 – bald an dieser Stelle zu hören.