Sascha Friesike und Johanna Sprondel treibt die Frage um, weshalb häufig digitale Transformationsprojekte in Deutschland die vorhandenen Probleme gar nicht lösen. Woran scheitern diese Vorhaben? Ihre Analyse stellen sie in dem Buch Träge Transformation. Welche Denkfehler den digitalen Wandel blockieren (2023) vor. Wir besprechen das Buch in der 37. Ausgabe des MikroBuch.
Was wissen die beiden über digitale Transformationsprojekte?
Sascha Friesike ist Professor für das Design digitaler Innovationen und Studiengangsleiter des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Leadership in digitaler Innovation an der Universität der Künste Berlin sowie Direktor des Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft. Er ist gelernter Wirtschaftsingenieur, der an der Universität St.Gallen promoviert wurde. Er forscht vor allem zur Rolle des Digitalen, wenn Neues entsteht.
Johanna Sprondel ist Direktorin der Berliner Gesellschaft Urania. Die Frage, wie die Digitalisierung das Leben der Menschen verändert, hat sie zu Lehr- und Forschungsaufenthalten nach Freiburg, Tokio, Zürich, Stuttgart, Paris und nun eben Berlin geführt. Ausserdem hat sie Unternehmen, Kommunen und Stiftungen zu den Themen Marketing, Digitalisierung und digitale Transformation beraten. Promoviert wurde sie im Fach Philosophie an der Universität Freiburg.
Digitalisierung ≠ digitale Transformation
Die beiden haben sich zusammengetan, um herauszufinden, weshalb in Deutschland so viel über digitale Transformation gesprochen und geschrieben wird, dennoch die dringlichsten Anliegen nicht oder nur schlecht erledigt werden: Da werden weiter Briefe geschrieben, obwohl eine Email es getan hätte. Schulen besitzen Video-Tools, die die Bedürfnisse von Lehrkräften und Schülerschaft nicht erfüllen. Für einfachste Anliegen müssen die Menschen weiter aufs Amt (S.7). Anhand zahlreicher Beispiele zeigen sie, dass es wichtig ist, Digitalisierung von digitaler Transformation zu unterscheiden. Sie unterscheiden beide Begriffe wie folgt: «Bei der Digitalisierung verändert sich die Form, in der etwas dargereicht wird, … , es verändert sich jedoch nicht das Ding als solches». (S. 11). Der Gegenstand wird also beispielsweise vom Analogen ins Digitale übertragen. Bei einer Transformation jedoch würden diese Gegenstände im Prozess selbst verändert. Die Transformation beinhaltet einen Aushandlungsprozess, durch den etwas Neues geschaffen bzw. das Vorhandene so verändert werde, dass das ursächliche Problem gelöst wird (S. 12).
Da in der öffentlichen Debatte Digitalisierung und digitale Transformation häufig gleichgesetzt werden, kommt es dazu , dass Deutschland zwar viel Geld für Digitalisierung ausgegeben hat, um Formate zu ändern. Der Gegenstand dagegen bleibt der gleiche, so dass die zugrundeliegenden Probleme ebenfalls weiter bestehen.
Typische Denkfehler
Friesike und Sprondel gehen in Form von Mini-Essays auf gängige Denkfehler in Projekten der digitalen Transformation ein. Diese Fehleinschätzungen führen dazu, dass die Ergebnisse solcher Projekte weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Gleichzeitig geben die beiden Hinweise, wie es gelingen kann, mit diesen Denkmustern kritsch umzugehen.
Dies ist die Liste der Denkfehler, die sie ausmachen:
- «Am Anfang steht eine Vision»
- «Technologie ist die Lösung»
- «Beschleunigung durch Komplexitätsreduktion»
- «Neu ist besser als gut»
- «Neues entsteht durch Vernetzung»
- «Transparenz führt zu Sichtbarkeit»
- «Wir müssen von Start-ups lernen»
- «Von überall droht Disruption»
- «Wir brauchen eine neue Fehlerkultur»
Diskussion
Haben Euch diese Essay-Überschriften schon überzeugt? Dann lest das Buch und diskutiert mit uns über folgende Fragen: Was können wir aus diesen Kurzanalysen lernen? Wie können wir die digitalen Transformationsprojekte in unserem Umfeld so gestalten, dass die Ergebnisse die Bedürfnisse der Beteiligten tatsächlich erfüllen?
Buchtitel und Werdegang von Autor und Autorin könnten nach schwerer akademischer Kost klingen, kommen aber auf 87 Seiten leichtfüssig daher. Auch am Preis sollte die Lektüre nicht scheitern. Das Buch ist in Deutschland für 6 Euro im Buchhandel erhältlich. Es ist Teil der Reihe «Was bedeutet das alles?»
Wir danken dem Reclam-Verlag, dass er uns kostenlose Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt hat.