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Modern(d)e Utopie in der Ostsee

Wenn in der Welt der Poly-Krise Wirtschaft und Gesellschaft schwächeln, haben Utopien umso mehr Konjunktur. Im nächsten MikroBuch lesen wir Theresia Enzensberger neuen Roman Auf See. Dieser spielt zu einem grossen Teil auf einer sogenannten Seastead, einer dauerhaften Wohnsiedlung auf hoher See.

Handlung und Erzählstränge

Was zunächst nach zwei Jahren Ferien klingt, entpuppt sich als ein Unterfangen, das vor dem Scheitern steht. Die Seestatt in der Ostsee wurde von libertären Unternehmern als Zufluchtsort vor dem Kollaps Europas gebaut. Doch hält die Wirklichkeit der Vision nicht mehr stand. Denn auch in dieser neuen Community gibt es grosse soziale Ungerechtigkeiten und unterschiedliche Freiheitsgrade. Ausserdem sind die Aufwände, die künstliche Seestatt vor dem Meer zu schützen, enorm. Und vor wem und was genau soll diese Plattform schützen? Für Yada, die Tochter des letzten verbleibenden Gründers, wird der vermeintliche „safe space“ mehr und mehr zu einem Gefängnis.

Erzählt wird der Roman aus zwei Perspektiven: die junge Erwachsene Yada erzählt meist in der Ich-Perspektive, über ihre Mutter Helena wird in der dritten Person erzählt. Hinzu kommt ein dritter Erzählstrang „Archiv“, in dem die Inspirationsquellen für die Plattform in der Ostsee im Wikipedia-Tonfall offengelegt werden. Diese reichen über historische Versuche, in entlegenen Gebieten neue Gemeinschaften zu gründen (wie etwa die Insel Ascension im Südatlantik oder die Republik Nauru) bis zur wirtschaftsliberalen Mont Pèlerin Society (MPS) am Genfersee. Diese bildet den ideologischen Nährboden für das Seasteading.

Alte Bekannte

Damit treffen wir in diesem Buch auf alte Bekannte aus früheren Podcasts. Zum einen haben wir in der allerersten Folge des MikroBuchs über Titus Gebels Private Städte gesprochen. Sein Konzept wird inzwischen u.a. in einem Pilotprojekt auf der Insel Roatán (Honduras) umgesetzt. Ausserdem haben wir uns in der 11. Folge des MikroBuchs über Peter Thiels Buch From Zero to One unterhalten. Thiel ist einer der wichtigsten Prepper des Silicon Valley. Er gehörte zu den ersten Sponsoren des Seasteading-Projekts. Ohne ihn wäre es vermutlich nie so populär geworden. Er verkörpert auch genau den Typ Unternehmer, der in Enzensbergers Roman die Zukunft der Gesellschaft über privat organisierte Gemeinschaften sichern möchte. Falls Ihr es noch nicht getan habt, hört in diese Folgen rein.

Diskussion

Diskutiert mit uns über das Buch. Wir können dies auf mehreren Ebenen tun: Einmal auf einer inhaltlichen Ebene, um zu hinterfragen, was den Reiz dieser Utopien ausmacht. Dann werden wir aber auch auf einer literarischen Ebene ansetzen: Wie gut hat Enzensberger die Erzählung künstlerisch umgesetzt? Alles gut oder yada, yada, yada?

Dieses Mal haben wir uns die Buchexemplare ohne den Verlag organisiert. Jenni hat sich das Hörbuch besorgt, Marco hat sich das Buch gekauft und Barbara hat sich ein Exemplar aus der Bibliothek ausgeliehen. Wo und wie besorgt Ihr Euch das Buch?

Hintergrundrecherchen zum Buch von Theresia Enzensberger.

Barbara Bohr
Barbara Bohr

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Category MikroBuch
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