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Wirtschaft hacken

In der Szene sei Uwe Lübbermann bekannt wie ein «bunter Hund», heisst es. Wir kannten ihn alle nicht und haben deshalb gerne die Leseempfehlung eines Hörers aufgenommen. Im nächsten MikroBuch geht es um nicht weniger als die Möglichkeit, die Wirtschaft zu hacken. Das macht Uwe Lübbermann mit seinem Kollektiv von Premium-Cola seit 2001. Nun hat er ein Buch geschrieben, in dem er erzählt, wie das gehen kann. Er und einige Personen aus seinem Netzwerk, also Mitarbeitende, Professoren und Professorinnen aus Ethik und Betriebswirtschaftslehre, Zuliefernde und Abnehmende beschreiben das Geschäftsmodell aus ihrer persönlichen Warte.

Wie funktioniert das Modell?

Lübbermann hat ein Unternehmen gegründet, das eine eigene Cola-Marke besitzt und das Getränk in eben jener Szene vertreibt. Ihm selber ist es wichtig, dass vieles genauso funktioniert wie anderswo in der Wirtschaft. Im Buch stehen aber vor allem die Funktionsprinzipien im Vordergrund, die aus der Firma etwas Besonderes machen. Das sind die wichtigsten:

  1. Die Geschäftsführung ist konsensorientiert, d.h. alle im Unternehmen entscheiden mit (im Sinne der Soziokratie).
  2. Es gibt eine zentrale Moderation, die dafür sorgt, dass die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten in der gesamten Lieferkette zum Ausgleich kommen. Diese Funktion übernimmt Uwe Lübbermann.
  3. Das Unternehmen hört nicht an seinen eng gefassten Grenzen auf, sondern behandelt alle Beteiligten in der Lieferkette als gleichberechtigt.
  4. Gleichberechtigung in der Entscheidungsfindung bedeutet auch, dass alle den gleichen Stundenlohn haben.
  5. Dem Unternehmen sind sozialer und ökologischer Ausgleich wichtiger als die Absicht, finanzielle Gewinne zu erzielen.
  6. Aus Gründen der Fairness werden deshalb wenig hinterfragte Usancen des Getränkehandels, wie etwa der Mengenrabatt, umgekehrt. Bei Premium Cola gibt es Rabatt für kleine Mengen, um den Geschäftseinstieg möglich zu machen.
  7. Premium Cola versteht sich nicht nur als Nischenplayer im Getränkemarkt, sondern als «Betriebssystem». Daher wird die eigene Art und Weise der Unternehmensführung auch als Dienstleistung für andere angeboten.
  8. Einzig Beratung und Vorträge werden als Werbung für das Unternehmen eingesetzt.

Zu den Zahlen

Zu den betriebswirtschaftlichen Ergebnissen gibt es im Buch wenig Fakten. Dort steht die Idee der Firma als Betriebssystem und Wertegmeinschaft im Mittelpunkt.

Ein paar Zahlen habe ich recherchiert, um eine Vorstellung zur betriebswirtschaftlichen Dimension des Unterfangens zu erhalten. Premium Cola hat 1600 gewerbliche Partner und Partnerinnen (Stand 2016). Die produzierte Menge liegt bei 1,5 Millionen Flaschen im Jahr und ernährt im Kern mindestens 11 Personen (zumindest teilweise, Stand 2018). Die gleiche Quelle gibt auch an, dass jede Person 18 Euro die Stunde verdient. Hinzu kommen Zuschläge für Leute mit Kindern, angemieteten Büros oder körperlichen Einschränkungen.

Diskussion

Ist das nun eine Unternehmensidee, die nur solange lebt, wie Uwe Lübbermann den Karren anschiebt oder kann ein solches Wirtschaftsmodell auch in anderen Branchen Schule machen? Unterstützt das Modell damit auch zentrale Ideen Schumachers, die wir im letzten MikroBuch besprochen haben? Diese und andere Fragen zum Unternehmensmodell werden wir in der nächsten Podcast-Folge des MikroBuchs diskutieren. Dieses Mal ist die Hemmschwelle für Euch, das Buch zum Podcast mitzulesen und mitzudiskutieren, besonders niedrig. Erstens ist es kurz und zweitens kann es kostenlos heruntergeladen werden. Es kann aber auch bezahlt werden.

Ich fand auch diese Einordnung aus dem Sammelband CSR und Social Enterprise, herausgegeben von Alexander Kraemer und Laura Marie Edinger-Schons, sehr hilfreich (möglicherweise ist der Zugriff beschränkt auf akademische Accounts). Es gibt auf YouTube aber auch zahlreiche Vorträge und Interviews mit Uwe Lübbermann, die offen zugänglich sind.

Buch auf Empfehlung von Christian Horn (via Twitter)

Barbara Bohr
Barbara Bohr

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Category MikroBuch
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