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Zukunftsmodelle aus der Vergangenheit

Die Mittelalterforscherin Annette Kehnel hat mit dem Buch Wir konnten auch anders eine Geschichte der Nachhaltigkeit vorgelegt. Anhand zahlreicher Beispiele, die vom hohen und späten Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert reichen, möchte sie zeigen, dass Menschen in zurückliegenden Epochen bereits nachhaltig und gemeinwohlorientiert gewirtschaftet haben. Marco, Anna und Barbara werden das Buch demnächst im MikroBuch vorstellen und diskutieren.

Zielsetzung und Struktur

Mit dem Buch will die Autorin, die Professorin für mittelalterliche Geschichte an der Universität Mannheim ist, ihre Leserschaft anregen, die aktuellen ökonomischen Denkmuster zu überdenken (S. 18). Wie genau macht sie das?

 Zunächst deutet sie die Narrative, mit denen wir heute den Fortschritt erzählen. Denn diese Erzählungen leben teils immer noch davon, dass sie unsere modernen Zeiten mit dem vermeintlich dunklen und armen Mittelalter vergleichen. Kehnel dagegen nutzt ihre Beispiele als Beweis, dass dieses Bild des Mittelalters einseitig und überzogen ist. Dabei geht es ihr nicht darum, das Mittelalter zu romantisieren, sondern uns Möglichkeiten aufzuzeigen, die bereits in der Vergangenheit funktioniert haben. Außerdem illustriert Kehnel damit, wie vielseitig wirtschaftliche Aktivitäten ausgestaltet werden können.

Das Buch gliedert sich in die folgenden Themenblöcke:

  • Wirtschaftliche Kooperationen und das gemeinsame Nutzen von Ressourcen, z.B. in Klöstern
  • Recycling, also das wiederholte Gebrauchen der Ressourcen sowie Reparaturtätigkeiten
  • Die Vergabe kleiner Kreditsummen für Gewerbetreibende und Privatleute
  • Spenden- und Schenkungsaktivitäten, die der sozialen Gerechtigkeit dienen
  • Forderungen nach Konsumverzicht und einem einfachen Lebensstil, wie er vor allem von den Bettelorden vorgelebt wurde.

Diskussion

Im Schlusswort macht Kehnel ihrer Leserschaft Mut, diese erprobten nachhaltigen Modelle auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft zu übertragen. Überhaupt lässt ihre Wortwahl durchgängig darauf schliessen, dass diese Ideen auf unsere heutige Zeit sehr gut übertragbar sind, denn sie verwendet konsequent aktuelle Begriffe, um die historischen Begebenheiten zu beschreiben. So wird das gemeinsame Nutzen von Ressourcen zum Sharing oder Kleinkredite gegen Pfand werden zu Mikrokrediten. Sehr engagiert geht es ihr auch darum, dass man das Rad nicht unbedingt neu erfinden muss, wenn man weiterkommen möchte: Die Lösungen für eine klimafreundliche Zukunft sind nämlich bereits da.

Diese Botschaft kommt sehr gut an. Das Buch hat durch die Bank weg sehr wohlwollende Kritiken erhalten. Vom NDR hat sie beispielsweise den Sachbuchpreis 2021 erhalten. Vergleichsweise ungehört bleibt dagegen etwa die kritische Meinung Hans-Dieter Schats (60 Views zum Zeitpunkt meines Aufrufs) zu dem Buch. Denn stimmt das alles so einfach, was Annette Kehnel über ihr Spezialgebiet schreibt? Was taugen ihre historischen Vorlagen für die Gegenwart? Welchen Beitrag können sie effektiv leisten, damit Wirtschaft nachhaltiger gestaltet und das Klima gerettet werden kann?

Diskutiert mit uns und schickt uns Eure Fragen und Kommentare. Wer keine Zeit für das Buch hat, kann sich in diesem Vortrag einen guten Einblick in das Menschen- und Weltbild des Buches verschaffen.

Die Rezensionsexemplare wurden uns kostenlos vom Karl Blessing Verlag, München zur Verfügung gestellt. Dafür bedanken wir uns herzlich.

Barbara Bohr
Barbara Bohr

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