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Ankündigung Buchbesprechung: Die falschen Propheten des grünen Wachstums

Nach dem leichtfüßigen Enzensberger haben wir uns für die nächste Buchkritik richtig schwere Kost, so fett wie Walspeck, ausgewählt. Im Mikrobuch 33 werden wir Adrienne Bullers Buch The Value of a Whale. On the Illusions of Green Capitalism (Manchester University Press, Juli 2022) vorstellen.

Vorfahrt für den Kapitalismus

Adrienne Buller, Senior Research Fellow am britischen Think Tank Common Wealth, macht mit ihrem Untertitel bereits deutlich, worum es ihr im Buch geht: Tragen markt-basierte Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise bei oder lenken sie nur ab vom Problem?

Ihre Antwort ist eindeutig. Man kann es salopp so auf den Punkt bringen: Solange wir die gewonnenen Effizienzen aus der Bepreisung knapper Ressourcen nur dazu nutzen, die Produktion weiter zu steigern, haben wir nichts gewonnen. Im Gegenteil: Die Ausbeutung der Welt nimmt weiter zu. So salopp geht Buller jedoch nicht vor. Mit viel Akribie versucht sie, argumentativ aufzuzeigen, dass marktbasierte Lösungen nicht nur nicht effizient, sondern auch nicht effektiv sind. Dabei setzt sie sich in sechs Kapiteln mit den existierenden Lösungen und dem wachsenden Einfluss der Finanzmärkte auf diese auseinander. Sie will belegen, dass es gar nicht um den Erhalt des Planeten geht, sondern in erster Linie um den Erhalt des Kapitalismus.

Darum geht es

Das erste Kapitel beginnt damit, dass Buller die Annahmen, Regeln und Rahmenbedingungen, die das marktwirtschaftliche Denken des heutigen Klimaschutzes bestimmen, hinterfragt. Dabei definiert sie Green Capitalism wie folgt:

This book is about ‘green capitalism’, which I argue is the project guiding much of the global response to ecological crisis and the unprecedented threat to capitalist systems it presents. It is an imperfect term, but I use it to describe the union of two defining pillars: first, the effort to preserve existing capitalist systems and relations in response to this unprecedented threat, and second, ensuring new domains for accumulation in the transition to a decarbonised and ecologically sustainable economy.  

Adrienne Buller, The Value of a Whale. On the Illusions of Green Capitalism, 2022, S. 24 – uncorrected proof).

Auf dieser Grundlage werden im zweiten Kapitel die aktuellen umweltpolitischen Maßnahmen und Programme vorgestellt, die die Praxis dominieren. Dazu gehören der Handel mit CO2-Emissionen und der globale CO2-Ausgleich.

Die falschen Propheten

Im dritten und vierten Kapitel analysiert sie dann einen Akteur, der großen Einfluss auf diese Lösungen gewonnen hat: das Asset Management. Die Vermögensverwalter gestalten nicht nur als Lobby das Verständnis von «Sustainable Finance», sondern setzen es auch in ihren eigenen Portfolios um. Klimaschutz wird zu einem Finanzrisiko und einem Machtfaktor. Wenige globale Player nehmen über ihre Mandate Einfluss auf die Umweltaktivitäten in Unternehmen und Staaten.

Im fünften Kapitel erweitert Buller die Perspektive, indem sie die Auswirkungen auf die globale Ordnung aufzeigt. Sie zeigt anhand vieler Beispiele, wie die Lösungen die Ungleichheit vergrössern. Sie spricht in diesem Zusammenhang von Neokolonialismus.  

Das letzte Kapitel zeigt, wie das Programm für grünen Kapitalismus gegen die Wand rennt. Es trifft unweigerlich auf die Sachzwänge einer von Ungleichheit geprägten Weltwirtschaft und einer begrenzten natürlichen Welt. Deren Erhalt wird, so Bullers Appell, nicht durch die Ökonomisierung von Umwelt und Gesellschaft gewährleistet, sondern umgekehrt durch eine Wiedereingliederung der Wirtschaft in unsere sozialen und ökologischen Systeme.

Diskussion

Es scheint so, dass an den Finanzmärkten einige Menschen am Klimaschutz verdienen, der Klimaschutz selbst und eine Mehrheit der Weltbevölkerung jedoch Verlierer bleiben. Es mag hilfreich sein, wenn der IMF den Wert eines Wals ermittelt (wieviel er „kostet“, könnt Ihr hier nachlesen), aber hilft uns dieser Preis, letztlich festzulegen, wie viel uns sein Überleben wert ist? Mit dem Wal und seinem berechneten Wert als Metapher wirft uns Buller immer wieder auf die Frage zurück, welche Werte wir eigentlich diskutieren müssten.

Link zum IMF.

Es sind schon viele Plädoyers für weniger Wachstum, ein anderes BIP oder für mehr Kooperation geschrieben worden. Welchen Beitrag zu dieser Diskussion leistet Bullers Monografie? Hört rein in unsere Diskussion und nehmt über Fragen und Kommentare daran teil.

Wir danken Hörer Jonathan für den Lektüretipp. Der Verlag hat uns, dank des direkten Kontakts über Adrienne Buller, einen Vorabdruck des Buchs kostenlos zur Verfügung gestellt. Das Buch selbst erscheint im Juli 2022. Ihr gehört also mit zu den Ersten, die von dem Buch hören!

Barbara Bohr
Barbara Bohr

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